Zeitzeugen |
Die zum Teil abweichenden Beschreibungen der Zeugen ergeben sich aus der Tatsache, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Ausführungen des Bessler-Rades gesehen haben. |
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Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), Mathematiker und Philosoph |
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Die Moritzburg in Zeitz. Links der Dom, im Hintergrund das Schloss. Auf Einladung von Herzog Moritz Wilhelm hielt sich Leibniz mehrfach hier auf. Unter anderem im Herbst 1714, um im nahegelegenen Draschwitz das Besslerrad zu besichtigen. |
Leibniz berichtete: “Orffyreus gehört zu meinen Freunden. Er gestattete mir vor einiger Zeit, mit seiner Maschine verschiedene Experimente durchzuführen. Während meiner Anwesenheit lief sie 2 Stunden ununterbrochen und demonstrierte eine beachtliche Kraft. Diese Maschine ist etwas ganz Besonderes, und wir sollten nicht übersehen, dass sie zu beachtlichem Wohle eingesetzt werden kann.” Er dachte dabei insbesondere an die Entwässerung von Bergwerken. Volllaufende Stollen waren zur damaligen Zeit ein nahezu unlösbares Problem. Da Dampfmaschine und Elektromotor noch nicht erfunden waren, blieb zum Abpumpen prinzipiell nur die Muskelkraft von Mensch oder Tier. Man hatte zwar Windmühlen, aber diese waren windabhängig und mussten natürlich oberirdisch aufgestellt werden. Dadurch ergab sich die Notwendigkeit einer vertikalen Kraftübertragung über längere Distanz. Etwas, das die damalige Technik nur mit erheblichen Schwierigkeiten und Verlusten bewerkstelligen konnte. Das Besslerrad hätte stattdessen auch unterirdisch funktioniert. Leibniz war übrigens nicht jemand, der im Elfenbeinturm saß und als Schöngeist den Bezug zur Welt verloren hatte. Ganz im Gegenteil, er hatte ausgeprägte praktische Talente. Auf ihn geht zum Beispiel die erste mechanische Rechenmaschine zurück, die alle vier Grundrechenarten beherrschte. Die Multiplikation funktionierte auf der Basis wiederholter Addition und die Division bewerkstelligte er durch wiederholte Subtraktion. Die Mechanik dafür war sehr aufwändig. Leibniz hatte also eine gute Realität über die Materialien, Werkzeuge und Tätigkeiten eines damaligen Maschinenbauers. |
Johann Andreas Weiße, Bezirksmagistrat Merseburg Das aus dem Fenster geführte Seil und der daran hängende Holzkasten sind Bestandteil des auf der Startseite zu sehenden Holzschnittes. Man hatte zu diesem Zweck auf dem Grünen Hof in Merseburg eine Seilrolle an einem Dachsparren befestigt. Gemäß den Zeugenberichten war das andere Ende des Seils direkt um die Achse des Rades gewickelt. Dass der Winkel des Seils insoweit nicht korrekt wiedergegeben wird, liegt daran, dass das Rad der Startseite Teil eines größeren Holzschnittes ist, auf dem es ein zweites Mal in Seitenansicht dargestellt wird (siehe Roteinfärbung). Nach erfolgter Umlenkung über eine am Boden befestigte Rolle wickelt sich das Seil um die Achse dieser Seitenansicht. |
Die auf dem linken Teil dargestellte Seitenansicht enthält auch das Pochwerk, das unter der Bezeichnung “Stampfhölzer” im folgenden Bericht des Gottfried Teuber beschrieben ist. Der Holzschnitt ist somit keine bildliche Dokumentation des in Merseburg überprüften Rades. Gleiches gilt für die Pendel, die in keinem einzigen Zeugenbericht erwähnt werden. Möglicherweise handelte es sich dabei um eine Spielerei Besslers, oder sie wurden in künstlerischer Freiheit der Zeichnung hinzugefügt. Später wurde gelegentlich behauptet, die Pendel hätten dazu gedient, das Rad auszutarieren oder einen gleichmäßigen Lauf zu garantieren. Beides macht jedoch nicht viel Sinn. Eine störende Unwucht hätte man viel einfacher mit zusätzlichen, fest angeordneten Massen beseitigen können. Da unter Last eine geringere Drehzahl zu verzeichnen war, hätte das Pendel als eigenes schwingungsfähiges System den Ablauf behindert. Im Beitrag “Spekulationen” wird darauf eingegangen. |
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Hier ein Foto der in der Nähe befindlichen Sixti-Kirche. Sie wurde im 11. Jahrhundert erbaut, im Dreißigjährigen Krieg zerstört und danach nie wieder aufgebaut. Zu Besslers Zeiten war sie also bereits eine Ruine. Der Turm dient seit 1889 als Wasserspeicher. |
Weitere Zeitzeugen: |
Gottfried Teuber (1656-1731), Zeitzer Hofdiakon und Magister Ich hatte mit dem Erfinder ein Treffen vereinbart. Als wir uns der Maschine näherten, konnte ich sehen, dass das Rad mit einem dicken Seil arretiert war. Sobald das Seil gelöst wurde, begann sich die Maschine mit großer Kraft zu drehen. Für längere Zeit hat sie ihr Tempo weder beschleunigt noch verlangsamt. Um sie wieder anzuhalten, war große Kraft erforderlich.” |
Johann Christian Wolff (1679-1754), Professor für Mathematik und Philosophie in Halle |
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Ich ziehe daraus, aber auch aus anderen Umständen, den Schluss, dass die Gewichte mit beweglichen oder elastischen Armen am äußeren Rand des Rades verbunden waren. Während sich das Rad drehte, konnte man deutlich hören, wie die Gewichte gegen hölzerne Wände stießen. Durch einen Schlitz konnte ich diese Wände sehen. Sie waren leicht geschwungen. Als er das Rad an eine andere Stelle brachte und die Gewichte wieder einsetzte, drückte er eine eiserne Feder hinunter, die bei ihrer anschließenden Rückkehr nach oben ein lautes Geräusch von sich gab.” Professor Christian Wolff war ab 1710 Mitglied der “Royal Society” und hatte ab 1711 dieselbe Eigenschaft bei der “Berliner Akademie der Wissenschaften”. Also ein intellektuelles Schwergewicht. Diese Tatsache, dass das Rad nach einem leichten Stoß von einer sehr langsamen Bewegung zu schneller Rotation beschleunigte, überzeugt mich mehr, dass es sich um ein Perpetuum Mobile handelte, als wenn ich es ein ganzes Jahr in Bewegung gesehen hätte. Statt also durch Luftwiderstand und Reibung langsam seine Geschwindigkeit zu verringern, wurde es immer schneller. Ich kann nicht sehen, wie jemand diese Sache anzweifeln sollte. Anschließend habe ich die Drehrichtung umgekehrt, und das Rad zeigte dieselben Ergebnisse. Dann prüfte ich die Lager, um zu sehen, ob es dort irgendwelche Merkwürdigkeiten gab. Aber außer den beiden kleinen Lagern, an denen das Rad in seinem Mittelpunkt aufgehängt war, konnte ich nichts finden.” |
Willem Jacob ‘sGravesande (1688-1742), niederländischer Mathematiker |
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”Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich Ihnen einen Bericht über die von mir vorgenommene Prüfung übersende. Ich berichte Ihnen die Details dessen, was eine äußere Besichtigung der Maschine ergeben hat. Dabei bin ich mir bewusst, dass die Dinge höchst umstritten sind, denn schließlich sind fast alle Wissenschaftler dagegen. Die Mehrheit hält jedenfalls daran fest, dass eine ewige Bewegung unmöglich ist. Dies ist vermutlich der Grund, warum der Erfindung des Orffyreus so wenig Aufmerk- samkeit zuteil wird. Der Erfinder ist talentiert, aber er ist weit davon entfernt, ein ernsthafter Wissenschaftler zu sein. Und trotzdem besitzt diese Maschine etwas ganz Erstaunliches, auch wenn es eigentlich unmöglich ist. Es folgt nun eine Beschreibung der äußeren Teile. In das Innere lässt der Erfinder niemanden sehen, damit sein Geheimnis nicht gestohlen werden kann. Es ist ein hohles Rad von der Art einer Trommel, etwa 14 Zoll dick und 12 Fuß im Durchmesser. Es ist offenbar leicht, denn es besteht aus mehreren über Kreuz angeordneten Holzbrettern, die in einem Rahmen zusammengefasst sind. Das Ganze ist mit Segeltuch bedeckt, um zu verhindern, dass man hineinsehen kann. Durch den Mittelpunkt des Rades geht eine Achse mit einem Durchmesser von etwa 6 Zoll, die an beiden Enden mit eisernen Lagern eines Durchmessers von 3/4 Zoll endet. Ich habe diese Lager untersucht und bin fest davon überzeugt, dass es keine Kraftübertragung von außen gibt, die Ursache der Radbewegung ist. Wenn ich es ganz leicht anstieß, blieb es immer wieder stehen, sobald ich meine Hand davon wegnahm. Aber wenn ich es in ein mäßiges Tempo versetzte, konnte ich es nur mit großer Kraft wieder anhalten. Überließ ich es sich selbst, beschleunigte es nach ein oder zwei Umdrehungen bis zu seiner höchsten Geschwindigkeit, die 25-26 Umdrehungen pro Minute betrug. Diese Bewegung wurde vor einiger Zeit in einem Raum des Schlosses für zwei Monate aufrechterhalten. Die Türen und Fenster dieses Raums waren verschlossen und versiegelt, so dass es keine Möglichkeit des Betruges gab.” |
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Moritz Wilhelm war ein gebildeter Mann und galt als gütiger Landesvater. Von der Erfindung Besslers war er beeindruckt. Wegen der nicht verstummenden Betrugsvorwürfe ließ er am 31. Oktober 1715 in Merseburg eine öffentliche Prüfung durchführen. Dazu wurde eine Kommission einberufen, die aus angesehenen Persönlichkeiten und berühmten Fachleuten bestand. Neben dem oben bereits erwähnten Christian Wolff waren die nachgenannten fünf Personen die bekanntesten Kommissionsmitglieder: Der in der Biographie zitierte Bericht aus Zedlers historischem Universallexikon über die “öffentliche Probe” von Merseburg enthält die Namen aller Kommissionsmitglieder. (Siehe dort.) |
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Der Name “Weißenstein” rührte von einem großen hellen Felsen her, der bereits im 12. Jahrhundert bei der Namensgebung des zu dieser Zeit erbauten Klosters Weißenstein Pate stand. Dieses Gebäude wurde 1610 abgerissen und durch das (Jagd-) Schloss Weißenstein ersetzt. Zur Zeit von Landgraf Karl erfreute es sich großer Beliebtheit, doch ab 1786 musste es abermals einem Neubau weichen. Es entstand das heute noch existierende Schloss Wilhelmshöhe. |
Zeichnung von Johann Heinrich Müntz (1727-1789). Auf der rechten Seite Schloss Weißenstein, im Hintergrund der ab 1701 auf Weisung von Karl erbaute “Herkules” mit den vorgelagerten Kaskaden. Der Bergrücken wurde später in “Karlsberg” umbenannt. |
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Gemälde von Johann Erdmann Hummel (1798-1852). Es zeigt Schloss Wilhelmshöhe, das nun den Platz des abgerissenen Schlosses Weißenstein einnimmt. Die Position des Beobachters ist im Vergleich zum letzten Bild etwas weiter rechts. Im Hintergrund unverkennbar der Herkules. Die Errichtung des mehrteiligen Gebäudes erfolgte zur Zeit von Landgraf Wilhelm IX. (1743-1821). (Daher der Name des neuen Schlosses.) Napoleon III. lebte hier ab 1870 im Exil. Angeblich entstand wegen dieses Sachverhalts die im Volksmund verbreitete Redensart: “Ab nach Kassel !” |
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Geschichtliches: Cassel war seit 1277 die historische Hauptstadt Hessens. Nach dem Tod Landgraf Philipps I., (“dem Großmütigen”), wurde Hessen im Jahr 1567 unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. Es entstanden die Landgrafschaften Hessen-Cassel, Hessen-Darmstadt, Hessen-Marburg und Hessen-Rheinfels. Die letzten zwei wurden später unter den ersten beiden aufgeteilt, nachdem es keine weiteren Nachkommen mehr gab. Wegen der Aufteilung von Hessen-Marburg kam es 1604 zwischen Hessen-Cassel und Hessen-Darmstadt zu Streitigkeiten. Vordergründiger Auslöser waren die unterschiedlichen Konfessionen. Während sich Hessen-Darmstadt zu Luther bekannte, hatte sich Hessen-Cassel für den Calvinismus entschieden. Der verstorbene Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg hatte es jedoch testamentarisch zur Bedingung gemacht, dass Marburg lutherisch bleiben müsste. Da Hessen-Cassel diese Bedingung ignorierte, forderte Hessen-Darmstadt in der Folge das gesamte Marburger Erbe für sich ein. Hessen-Cassel kam diesem Ansinnen jedoch nicht nach und setzte damit einen fast 50jährigen Erbschaftsstreit in Gang, der 1645 sogar in den so genannten “Hessen-Krieg” mündete und erst mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) ebenfalls beendet wurde. Hessen-Darmstadt hatte seine Ansprüche militärisch nicht durchsetzen können und gab schließlich auf. Marburg, Kirchhain und Frankenberg blieben bei Hessen-Cassel, Butzbach, Gießen, Grünberg und Alsfeld bei Hessen-Darmstadt. In diese Erbstreitigkeiten waren insgesamt drei Landgrafen von Hessen-Cassel verwickelt. Nicht jedoch Karl, denn er trat als Sechster nach Philipp I. seine Regentschaft erst 1670 an. Da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig war, regierte seine Mutter noch 5 Jahre lang als sein Vormund. Während seine Vorgänger durchschnittlich kaum zwei Jahrzehnte im Amt gewesen waren, regierte Karl ganze 60 Jahre lang. Er hat sein Land in dieser Zeit besonders nachhaltig geprägt. Dass er seine schützende Hand über Bessler hielt, ist nur eines von vielen Beispielen für soziales Engagement während seiner Regierungszeit. Im Jahr 1803 wurde Hessen-Cassel zu einem Kurfürstentum des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation”. Der amtierende Landgraf Wilhelm IX. wurde Kurfürst Wilhelm I. Sein Land trug nun die Bezeichnung “Kurfürstentum Hessen” oder kurz “Kurhessen”. Durch die Entscheidung Napoleons wurde die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt 1806 zum “Großherzogtum Hessen”. Etwa zeitgleich entstand aus den Fürstentümern Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg das “Herzogtum Nassau”, dessen Grenze nördlich des Mains, östlich des Rheins, südlich der Lahn und westlich einer Linie von von Offenbach nach Marburg verlief. Nassau ist ein altes deutsches Adelsgeschlecht, dessen Ursprünge bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen. Größere Städte waren Wiesbaden, Limburg und Weilburg. Das “Großherzogtum Hessen”, (Hauptstadt Darmstadt), wurde von Nassau in der Mitte durchschnitten und bestand aus den Provinzen Starkenburg (östlich des Rheins zwischen Main und Neckar) und Oberhessen (Büdingen, Friedberg, Gießen, Grünberg, Alsfeld, Lauterbach). Ab 1816 gehörte auch das linksrheinische Rheinhessen mit Bingen, Mainz, Alzey und Worms noch zu Darmstadt. Hessen gab es also zweimal. Und zwar Kurhessen mit der Hauptstadt Cassel und das Großherzogtum Hessen mit der Hauptstadt Darmstadt. Nicht lange nach dem Intermezzo der napoleonischen Besatzung wurde Kurhessen als Folge des preußisch-österreichischen Krieges im Jahr 1866 durch Preußen annektiert. Dasselbe Schicksal erlitten das Herzogtum Nassau sowie die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main. Sie bildeten gemeinsam die neue preußische Provinz “Hessen-Nassau” mit Cassel als Provinzhauptstadt. Das Großherzogtum Hessen blieb dagegen weitgehend unbehelligt und musste nur kleinere Gebiete an Preußen abtreten. Dieser Rechtszustand dauerte prinzipiell bis 1945 an. In die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fällt die Umbenennung von Cassel. Im Jahr 1926 wurde das “C” durch ein “K” ersetzt. Die Stadt trägt nun den Namen Kassel. . Preußen wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges als Sinnbild des deutschen Militarismus durch die Siegermächte zerschlagen. Das ehemalige Hessen-Nassau (Hauptstadt Kassel) ging zusammen mit dem ehemaligen Großherzogtum Hessen (Hauptstadt Darmstadt) in einem neuen “Groß-Hessen” auf, das ab 1946 wieder den ursprünglichen Namen “Hessen” trug. Abgetrennt wurde die Provinz “Rheinhessen”. Sie bildete das Rückgrat für das neue Bundesland “Rheinland-Pfalz”.
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